Theater Nikola Landshut e.V.

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Der Name der Rose

Ein mutiger Gewaltakt
Theater Nikola wagte sich an die Bühnenfassung von 
"Der Name der Rose"

 

Claus J. Frankl hat es sich zur Aufgabe gemacht, Bühnenfassungen verfilmter Romanerfolge zu fertigen. Dabei scheut er kein Risiko. So kam etwa Frankls' Bearbeitung von Robert Schneiders , „Schlafes Bruder" 2001 zur Uraufführung, trotzdem Joseph Vilsmaier den Stoff bereits sechs Jahre zuvor mit einem filmischen Desaster erledigt hatte. Nicht minder gewagt; erscheint die Dramatisierung ,von Umberto Ecos ,,Der Name der Rose".
Schon Jean-Jaques Annaud fand 1986 nur vereinzelt überzeugende „bildliche" Entsprechungen zu den philosophisch-historischen Exkursen des Romans, brachte aber einen stimmigen Unterhaltungsfilm mit Sinn fürs mittelalterliche Detail zustande. Am Unterhaltungsaspekt vor allem ist, auch Frankl gelegen dem bei seiner Version „eine Art Boulevard" mit kriminalistischem Hintergrund vorschwebte.
Eckers Inszenierung, dieser Bühnenfassung hatte am Samstag im Theater Nikola Premiere. Es war ein Gewaltakt.
Volle zwei Stunden lang bemühten sich der Franziskanermönch William von Baskerville (Reinhart Hoffmann) und sein Adlatus Adson von Melk (Matthias Hoffmann) in einer reichen Benediktinerabtei an den Hängen des Apennin um die Klärung einer mysteriösen Mordserie, deren vermeintliche Sühne den diabolischen Ränken des päpstlichen Inquisitors (Thomas Ecker) vorbehalten blieb. Bevor sich dunkel der Mantel der Apokalypse (Bühnenmalerei: Jürgen Pollner) über eine Welt voller Intrigen, Hass und Demütigung breitete. Ein packendes Schlussbild, von dem sich das Publikum kurz erholen musste, um einem restlos erschöpften Ensemble nur um so begeisterter zu applaudieren.
Dabei war es wohl nicht so sehr die Qualität des Stückes, die derart Eindruck hinterlassen hatte, als jene mit Disziplin gepaarte Leidenschaft, welche das Laienensemble traditionell auszeichnet. Mit „Der Name der Rose“ hat sich das Haus einem Ausstattungs- und Besetzungsaufwand gestellt, der zwangsläufig das Risiko des Scheiterns in sich birgt. Bereits professionelle Bühnen stoßen an ihre Grenzen, wenn es über ein Dutzend Sprechrollen unfallfrei zu besetzen gilt. AnEckers inszenatorischem Geschick las es nun, diese Klippe elegant zu umschiffen.
Obschon von Beginn an ein beträchtliches Gefälle darstellerischen Talents im Raum stand, drohte das Ganze nie zu kippen, was zunächst an der allgemeinen Textsicherheit, vor allem aber daran lag, dass die Grenzen individueller Möglichkeiten durch Verzicht auf kompensatorische Manierismen (oft eine Sucht des Laienspiels) schnell ihr Bedeutung verloren. Über die somit bewerkstelligte Homogenität des Ensembles gelang es Ecker dann, sich in aller Ruhe der Entwicklung der Geschichte zu widmen, der er keine Längen und (hier kam die persönliche Opernliebe des Regisseurs ins Spiel) gelegentlich einen musikalischen Übergang zuviel gestattete.
Am Ende hatte die Kriminalgeschichte über den Boulevard gesiegt und Aristoteles über Jorge von Burgos (Rainer Weiher), der alles Übel heraufbeschwor, indem er jeden, der in Aristoteles’ „Poetik“ las, mit dem Tod bestrafte. „Was wir nämlich in der Wirklichkeit nur mit Schmerzen anschauen“, heißt es dort auch übers Theater, „das betrachten wir mit Vergnügen, wenn wir möglichst getreue Abbildungen vor uns haben“. Thomas Ecker hatte den Mut, dieses Vergnügen zu bereiten, indem er souverän das Risiko des Scheiterns auf sich nahm.

Uli Karg

 

 

Wenn Wissen mordet
Nikolaner spielen Umberto Ecos "Der Name der Rose" im Pfarrsaal St. Nikola
 
Ein berühmter Roman, ein noch berühmterer Film als Schauspiel auf einer Laienbühne? Die Nikolaner können das. Umberto Ecos "Der Name der Rose" beeindruckt in der Inszenierung der Theatergruppe Nikola in jeder Beziehung und beweist, dass Theater spannender als ein Film sein kann.

Es bedarf nicht der technisch perfekten Filmbilder, um jene Spannung hervorzurufen, die ein Abtauchen in eine Problematik erlaubt, die selbst die etwas langatmige Theaterversion Claus J. Frankls zum kurzweiligen Krimi werden lässt. Unter der Regie von Thomas Ecker wird die rigide Welt des Mittelalters lebendig und authentisch in Szene gesetzt.
Bombastisch der Bühnenbau von Hans Salisco, Harald Wiesner und Anton Seeanner, atmosphärisch untermalt durch die Musik von „Carmina burana“. In den Mauern romanischer Klostersparsamkeit zentriert sich der Blick seitlich auf eine riesige Jesus-am-Kreuz-Ikone (Jürgen Pollner). Doch im Mittelpunkt steht die Schreibstube, die sich durch eine Galerie rund um den Zuschauerraum zur Klosteranlage weitet und so raffiniert das Publikum einbindet. Zwei Fensterarkaden ermöglichen das Spiel auf zwei Ebenen, in verschiedenen Räumen und Perspektiven; gespielt wird unten, oben, seitlich, vorne, hinten. Bücher knallen zu Boden, Lichter flackern, kuttenverhüllte Mönche huschen durch die Dunkelheit, gaffen aus den Fenstern, lauschen zwischen Tür und Angel. Das schauderhafte Geheimnis hinter den dicken Klostermauern wird Schritt für Schritt enthüllt und gleichzeitig die grausame Welt des Mittelalters, die Wissbegier mit Mord ahndet.
Spannend treibt die Inszenierung auf den Höhepunkt zu. 17 Mönche stehen zuweilen auf der Bühne, beten und speisen, intrigieren und philosophieren, trotz Kutte jeder ganz individuell, das breite Spektrum menschlicher Physiognomien und Charaktere, ein Querschnitt mittelalterlicher Denkstrukturen, fanatisch, rasistisch, machtpolitisch, weit weg von echt empfundener Religiosität. Einer stirbt, der erste von vielen. William von Baskerville, Franziskanermönch, Inquisitor a.D., soll im Benediktinerkloster die Hintergründe dieses Mordes aufdecken. Adson von Melk hilft ihm dabei.
Reinhart und Matthias Hoffmann, Vater und Sohn, geben auf der Bühne ein treffliches Meister-Schüler-Verhältnis ab. Nicht ohne Humor interpretiert Reinhart Hoffmann William. Ein Hauch von Sherlock-Holmes blitzt gelegentlich unter seiner Gelassenheit auf, der schon einige Doktrinen hinter sich gelassen hat, weil ihm die Wahrheit wichtiger ist als die Inquisition.
Wunderbar unschuldig, mit wissbegierigem Blick und roten Wangen, zuweilen von erstaunlicher Logik, die Großes erwarten lässt: Matthias Hoffmann als Adson von Melk. Zu seiner kindlichen Naivität passt die Verführung durch ein Bauernmädchen auf dem Klostertisch.
Ambivalent spielt Christine Ecker dieses Mädchen. Schlampig und verschüchtert huscht sie über die Bühne, gierig nach ein paar Brosamen, in ihrer Liebe ein wunderbares Wesen, das Adson später im Traum erscheint, und gleichzeitig willenloses Werkzeug des narbenentstellten Mönchs Salvatore, den Rudolf Karl zwischen debilem Monster und erbärmlicher Kreatur ansiedelt. Natürlich erwischt man die beiden. Die Hexerei und Ketzerei werden sie angeklagt und als Remigius, der Cellerar, aus der Kammer des ermordeten Botanikus tritt, wird er ungerechterweise des Mordes angeklagt. Der päpstliche Großinquisitor will es so. Schließlich sympathisierte Remigius einst mit den Ketzern. Remigius, alias Josef Reindl, kann noch so aufbegehren, der Folter entgeht er nicht.
Eiskalt drückt ihm der Großinquisitor das heiße Eisen in den Rücken. Thomas Ecker mimt diesen Inquisitor als emotionslosen Machtmenschen, ein Vulkan der Grausamkeit unter der glatten Maske, uneinnehmbar durch den Schutz seiner Schergen und in glanzvoller Glorie dank strahlend heller Gewänder. Gefesselt auf Knien, im Büßerkleid, an Seilen aufgespannt degradiert der Mensch zum Vieh – hautnah auf der Bühne viel packender als in der Perfektion der Bilder.
Und die Spannung steigert sich nochmals, als die Bibliothek abfackelt, der Mensch als Antichrist als surreale Bühnenmalerei den Schlussakzent setzt und William das Geheimnis um die vergifteten Buchseiten lüftet. Auf der Empore, gleichsam der höheren Gerechtigkeit, maßt sich der blinde Jorge, Rainer Weiher, mit seinem seherischen infernalischen Fanatismus an, der Wärter allen Wissens zu sein. Im großen Dialog um die Philosophie des Lachens bleibt einem das Lachen angesichts dieser mittelalterlichen Borniertheit im Halse stecken.
Die Spannung entlädt sich nach zweieinhalb Stunden überaus konzentrierten Spiels in begeistertem Applaus und vielen Bravo-Rufen für das gesamte Ensemble.

Michaela Schabel

 

Rätselhafte Tode im Kolster
Glänzende Premiere von Umberto Ecos "Der Name der Rose" im Theater Nikola
 
Wir schreiben das Jahr 1327. Gesandte des Kaisers und des Papstes sind auf dem Weg zu einer abgelegenen Abtei im Apennin, um ein Treffen zwischen Abgesandten des Papstes und der ketzerischen Minoriten zu arrangieren.
Dem Franziskanermönch und früheren Inquisitor William von Baskerville und seinem Adlatus Adson von Melk wird diese delikate Sache anvertraut. Die beiden kommen auch keinen Tag zu früh in die Benediktinerabtei, ereignen sich doch rätselhafte Todesfälle, die irgendwie in Zusammenhang mit dem verschollen geglaubten zweiten Teil von Aristoteles’ Poetik in Verbindung zu stehen scheinen...
Ein Kloster-Krimi? Auch, aber nicht nur. Der Weltbestseller „Der Name der Rose“ von Umberto Eco ist auch ein theologisch-philosophischer Diskurs. Heute, in Zeiten blutgetränkter Passions-Lust, noch mehr als in seinem Entstehungsjahr 1980.
Basierend auf der erfolgreichen Film-Adaption von Jean-Jacques Annaud – immerhin mit so glänzenden Schauspielern wie Sean Connery, Christian Slater, Helmut Qualtinger, Ron Perlman und Feodor Chaliapin Jr. besetzt – schuf Claus J. Frankl das gleichnamige Bühnenstück, das am Samstag erstmals im Theater Nikola gezeigt wurde.
Warum nur tut sich ein Laientheater einen solchen Stoff an? Der Rotstift ist angesichts der Materialfülle dringend abgebracht. Und trotz allen Kürzungs-Eifers von Regisseur Thomas Ecker mussten gut zweieinviertel Stunden dichten, textreichen Stoffes in eine ansehnliche und verdauliche Form gebracht werden.
Weitere Bürde: 17 Rollen müssen mit männlichen Darstellern besetzt werden. Schon ein professionelles Schauspielhaus vermag das nicht in gleichbleibend hoher Qualität. Und dann noch die Film-Adaption, die immer wieder vor dem geistigen Auge des Zuschauers erscheint.
Seine Grenzen ausloten ist das eine, aber sich sehenden Auges ins programmierte Scheitern stürzen? Das Theater Nikola muss verrückt sein, denkt man noch, als das Spiel beginnt. Doch siehe da: Es funktioniert!
Es funktioniert natürlich auch Dank des begabten und engagierten Ensembles, auch Dank Reinhart und Matthias Hoffmann, Vater wie Sohn begnadete Schauspieler, die als William und Adson schon fast dem Duo Connery und Slater ebenbürtig sind. Auch Dank Reiner Weiher als der blinde Jorge von Burgos und „Salvatore“ Rudolf Karl und „Remigius“ Josef Reindl.
Vor allem funktioniert es aber Dank des Theaterinstinkts von Regisseur Thomas Ecker. Der nämlich weiß das Talent seines Ensembles richtig einzusetzen und die Schwächen gekonnt zu kaschieren. Keine unnötigen Manierismen, die mangelndes Talent nur zu häufig hervorbringt, sondern präzises, ja manchmal nachgerade minimalistisches Spiel nötigt er seinen Darstellern ab. Und so überzeugt auch die Liebesszene, die schnell zur unfreiwillig komischen Peinlichkeit geraten kann.
Das Theater Nikola wächst mit „Der Name der Rose“ auch optisch über sich selbst hinaus: Der von einem Kruzifix dominierte Bühnenraum, ohnehin zweigeschossig arrangiert, wird gesprengt, ein um den Zuschauerraum laufender Steg musste her, der zwar ins Spiel eingebunden ist, aber – das Publikum dankt’s – nicht überstrapaziert wird.
Und was lernt der Premierengast im Pfarrheim St. Nikola? Die Gefahr des Scheiterns ist groß, und gelegentlich taumelt das Ensemble über dem Abgrund. Doch nur wer die Tiefen sucht, kann über sich selbst hinauswachsen und den Gipfel erklimmen. So wie das Theater Nikola mit „Der Name der Rose“

Stefan Becker