Theater Nikola Landshut e.V.

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Die sündigen Engel

LZ vom 24. Oktober 2005
Ein stolzes Wagnis
Thomas Eckers Inszenierung verlässt sich ganz auf die Kinderdarsteller - und gewinnt
Im Juli wurde Benno Herrmann, der Gründer des Theater Nikola, von seinem Ensemble verabschiedet. Am Samstag nun saß er in der ersten Reihe, um mit "Die sündigen Engel" die erste Produktion post Herrmann zu begutachten. Die besondere Erwartungshaltung nach der großen Zäsur war es einerseits, die den außergewöhnlichen Charakter dieser Premiere bestimmte. Andererseits ging das traditionell risikofreudige Theater Nikola mit der Inszenierung von Henry James' Fin-de-siècle-Thriller auch ein bisher unbekanntes Wagnis ein: Erstmals wurde auf Kinder als Hauptdarsteller vertraut. "Das Resultat dieser Arbeit", betonte der Herrmann-Nachfolger Reinhart Hoffmann in einer kurzen Begrüßungsrede, "erfüllt uns mit Stolz". Mit allem Grund, wie sich bald herausstellen sollte.
Nachdem das herzzerreißende Schlussbild in dramatischer Bedächtigkeit verdämmert war, vermählte sich für einen Moment Dunkelheit mit Stille, bevor dieses perfekte Paar von einem  sich zunehmend tosend gestalteten Beifallssturm auseinandergetrieben wurde. Bei der Stille handelte es sich übrigens um jene tonlose Begeisterung, die oft auch als Sprachlosigkeit bezeichnet wird. Soviel zum unmittelbaren Eindruck, den Thomas Eckers Inszenierung hinterließ.

Zunächst nur Staunen
Obwohl sich die so genannte Laiengruppe kraft konstanten Niveaus mittlerweile ein ziemlich verwöhntes Publikum gezogen hat, war zunächst nichts als Staunen. Staunen darüber, mit welcher Professionalität und Sicherheit im künstlerischen Ausdruck hier eine Theatergruppe ihren Amateurstatus untergraben hat. Es ist das übliche Staunen nach einer Nikola-Premiere. Mit dem Unterschied, dass dieses Staunen diesmal um zwei besondere Facetten der Verblüffung bereichert wurde. Die Facetten heißen Cathrin und Niklas Bachmann - zwei Kinder, die ihre Rollen derart furios interpretieren, dass man nach der Vorstellung am liebsten auf die Bühne gestürmt wäre, um es Thomas Ecker gleichzutun, der die beiden voll dankbarer Hochachtung in seine Arme schloss.
Eineinhalb Stunden zuvor hatte er als englischer Aristokrat aus dem Jahre 1880 eine verschämte Gouvernante (Christine Ecker) mit der Aufsicht der Kinder seines verstorbenen Bruders beauftragt. Unter einer  Bedingung: Sie darf ihn unter keinen Umständen kontaktieren. Egal was passieren möge.
Die Gouvernante lässt sich nicht abschrecken. Auch nicht, als sie von der Haushälterin (Gaby Butz) erfährt, dass Miss Jessel, ihre Vorgängerin, unter mysteriösen Umständen verstorben ist. Zu begeistert ist sie von ihren zukünftigen Aufgaben. Umso mehr, als sich die Kinder zunächst ausnehmend wohlgeraten präsentieren. Flora (Cathrin Bachmann) verzückt als blond gelocktes Engelchen mit formvollendetem Knicks. Und Miles (Niklas Bachmann) macht ganz den Eindruck eines strammen kleinen Gentleman. Dass er gerade wegen unflätigen Verhaltens der Schule verwiesen wurde, muss ein Missverständnis gewesen sein, denkt die Gouvernante. Noch. Bald schon stellt sich jedoch die Offenheit in den Augen der Kinder als stechender Blick verlorener Seelen heraus. Die possierlichen Kleinen: die reinste Teufelsbrut. Bald entdeckt die Gouvernante, dass Flora und Miles von bösen Geistern besessen sind. Es folgt das pure Grauen. Exorzismus inklusive.

Souveränität allerorten
"Die sündigen Engel", von Henry James Ende des 19. Jahrhunderts in Erzählform verfasst, ist ein Klassiker des Schocker-Genres. Alle bis heute gängigen Motive wohligen Gruselns fanden hier bereits Verwendung. Thomas Ecker wusste sie bestens zu nutzen. Innerhalb des wundervoll gestalteten Bühnenraums (ein bis in die Details stimmiger Salon viktorianischen Zuschnitts, gestaltet von Hans Salisco, Harald Wiesner und Anton Seanner) setzte er souverän seine Schockeffekte, ohne die zwischenmenschlichen Nuancen zu vernachlässigen, die sich zwischen den vier Figuren ergeben.
Christine Ecker zeichnete ein ergreifendes Porträt einer Frau am Rande des Wahnsinns. Gaby Butz lieferte das stoische Gegenbild einer in Naivität Gefangenen. Und die Leistung von Cathrin und Niklas Bachmann war in ihrer unbekümmerten Präzision - was nicht zuletzt einen Eindruck von Eckers sicherer Darstellungsführung lieferte - sowieso völlig unheimlich. Noch unheimlicher sogar als die von Rudolf Karl und Astrid Steinberger reichlich schauderhaft zum Leben erweckten Geister.

Uli Karg

Wochenblatt LA vom 26. Oktober 2005
Gänsehaut und Schreckmomente: Theater Nikola entführt ins Gruselschloss
Was ist grausamer? In Sicherheit gewogen zu werden, um dann von einer zuschlagenden Tür oder einem Mann am Fenster aus dem Stuhl gerissen zu werden? Oder wenn man durch Musik und Stimmung schon angespannt im Stuhl sitzt, die Knöchel der in grausiger Erwartung geballten Faust weiß hervortretend – und dann passiert nichts?
Man kann es nun selbst herausfinden im Theater Nikola in einer Inszenierung, die für Halloween gemacht zu sein scheint: „Die sündigen Engel” heißt das Stück des viktorianischen Autors Henry James, mit dessen Hilfe das Ensemble um Regisseur Thomas Ecker virtuos auf den Nerven der Zuschauer spielt.
Im England des ausgehenden 19. Jahrhunderts wird eine junge Gouvernante mit der Erziehung zweier Kinder auf Schloss Bly in Essex beauftragt. Was sich wie eine einfache Aufgabe darstellt, zumal die Kinder liebreizende Wesen zu sein scheinen, erweist sich als nervenaufreibender Kampf gegen böse Mächte. Es ist etwas faul auf Schloss Bly – und es kommt aus dem Jenseits, um sich der Kinder zu bemächtigen…
„Die sündigen Engel” spielt gekonnt mit allen  subtilen Gänsehaut- und polternden Schock-Effekten des Gruselgenres. Doch nicht nur von den Effekten lebt das Stück, auch die schrittweisen Enthüllungen der grausigen Vorfälle auf Bly und die schleichende Veränderung der Charaktere fesseln den Zuschauer. 
Ist es am Ende gar die Gouvernante selbst, die dem Wahnsinn anheim fällt? Schließlich ist sie die einzige, die die Geisterscheinungen wahrnimmt, während die einfältige Haushälterin Mrs. Grose sich an die rationale Welt klammert. Oder steckt Mrs. Grose gar hinter den Vorgängen? Sie ist es schließlich, die die Gouvernante mit den grausigen Details versorgt… Kein Wunder, dass „The Turn of the Screw” – so der Originaltitel – sage und schreibe 13 Mal verfilmt wurde. 
Ein Selbstläufer also? Mitnichten, denn das Stück bietet eine Fülle an Fallstricken. Bewundernswert, wie das Theater Nikola, das – wie man gerade in der Besetzung der stummen Nebenrollen sieht – über hervorragendes Personal verfügt, sich mit Lust zwei Kindern ausliefert. Denn mit den Figuren von Flora und Miles steht und fällt das Stück.
Mit Cathrin und Niklas Bachmann hat Thomas Ecker allerdings ein Geschwisterpaar gefunden, das den Wechsel vom naiven Engelchen zur niederträchtigen Kreatur meisterhaft bewältigt. Vor allem in der ergreifenden Schluss-Szene zeigt der neunjährige Niklas Bachmann, dass er in seiner Ausdrucksvielfalt und seinem minutiösen Spiel den erwachsenen Mimen in nichts nachsteht.
Es spricht für Gaby Butz als einfältige Realistin und vor allem Christine Ecker als die Gouvernante, die sich von einem naiven Wesen zum verschreckten Nervenbündel und schließlich zur wild entschlossenen Kämpferin wandelt, dass sie neben den beiden Kindern noch klare Akzente setzen und erstklassiges Spiel zeigen können.
Und es ist vor allem Christine Ecker, die zusammen mit Niklas Bachmann die Glanzpunkte eines schaurig-schönen Theaterabends setzte, der vom Publikum mit tosendem Applaus quittiert wurde. Denn was da im Pfarrzentrum Nikola – von der Ausstattung über die Musik und Inszenierung bis zur schauspielerischen Leistung – geboten wurde, war Laientheater auf höchstem Niveau. Und ein perfekter Nervenkitzel zu Halloween.

Stefan Becker