Theater Nikola Landshut e.V.

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Gretchen 89ff

Landshuter Zeitung vom 23. April 2007

Variationen eines Faust-Witzes

Die Premiere von „Gretchen 89ff“ des Theaters Nikola wurde begeistert aufgenommen

Das Spiel mit den Variationen klappt immer. Mit Vergnügen hört an noch heute Otto Waalkes, wie er das Kinderlied „Hänsel und Gretel“ durch die Musikstile jagt. Das Prinzip funktioniert auch bei „Gretchen 89 ff“ von Lutz Hübner, das das Theater Nikola am Samstag erstmals aufgeführt hat: Man weiß grob, was die kommende Szene bringt – und wird von den Ausschmückungen überrascht.

Die Ausgangssituation ist immer gleich: Eine Schauspielerin soll auf der Probenbühne in Gegenwart des Regisseurs die „Kästchen-Szene“ aus Goethes „Faust“ – im Buch auf Seite 89 und den folgenden, daher der Titel – spielen. Variiert werden nun die Typen der Schauspielerin und des Regisseurs. Da trifft zum Beispiel ein Gretchen (Astrid Steinberger) auf den „Streicher“ (Anton Seeanner): Dieser streicht aus der Szene einen Satz nach dem anderen weg, bis das arme Gretchen am Ende unter Tränen nur noch wenige Worte zu sagen hat und getröstet werden muss.

Zum Höhepunkt der Heiterkeit gerät „Der alte Haudegen“ (mit Sandra Ingerl und Rainer Weiher), den man vom großen Loriot kaum schöner gesehen hätte. Ein altgedienter, schon alles erlebt und jeden gesehen haben – der Regisseur  verirrt sich in seinen Monolog an der verzweifelten Schauspielerin vorbei.

Theater-Nikola-Regisseur Reinhart Hoffmann spricht ein paar einleitenden Worte, dann gesellt sich Karlheinz Attenkofer als Hausfaktotum dazu, der die Gretchen-Variationen moderiert – und schon findet sich der Zuschauer mittendrin im Stück. Viel eleganter kann man in einem Theaterabend nicht hineingezogen werden. Es folgen neben den oben beschriebenen Szenen auch solche, die eine Diva (Lisa Gusel) auf einen spätberufenen Regisseur (Hans Kaltenbacher) treffen lassen oder die sehr körperbetonte Szene mit dem Gretchen (Astrid Steinberger), das auf eine Freud-Anfänger als Regisseur (Rudolf Karl) trifft.

Kurzum: Das Theater Nikola hat mit „Gretchen 89ff“ zwei Stunden schönster Unterhaltung auf die Bühne gebracht. Das Publikum dankte es nach der zweistündigen Aufführung mit anhaltendem Applaus.


Landshut Aktuel vom 25. April 2007l 

Die Premiere von „Gretchen 89ff“ des Theaters Nikola wurde begeistert aufgenommen

Das Theater Nikola erntete mit Hübners „Gretchen 89ff“ viel Applaus

 

Landshut. Skandierter Applaus für die Premiere. Die treue Theatergemeinde ist von der neuen Theaterproduktion von Lutz Hübners „Gretchen 89ff“ begeistert. Man kennt die Darsteller, weiß, mit wie viel Spielfreude sie bei der Sache sind und amüsiert sich über das Spieltemperament einzelner Darsteller.

Mit dieser Inszenierung reiht sich das Theater Nikola in die Kategorie „nettes Laientheater“ ein. Doch Stück noch Inszenierung überraschen nur mit wenigen „Aha“-Effekten. Reinhart Hoffmann inszenierte die Szenencollage genauso simpel, wie sie ist: eine Aneinanderreihung von Klischees mit Dialogen, ziemlich abgenutzt, trotz der liebevollen Sticheleien auf die lokale Theaterszenerie vor Ort.

Bei zehn Szenen wird das Theaterkabarett zur ermüdenden Endlosschleife , deren roter Faden, Karlheinz Attenkofer als betulicher Erzähler, die Geschichte noch zusätzlich streckt, obwohl sich das Ganze ohnehin „griffig“ erzählt. Zehnmal wird die Szene angespielt, zehnmal streiten sich Regisseur und Darsteller über die Interpretation von Fausts Kästchenszene.

Die stückimmanente Satire, in der sich Schauspieler und Regisseur immer bitterere Duelle egozentrischen Scheuklappen liefern, degradiert zur mittelmäßigen Ulknummer: statt Tempo erzählerische Breite, komödiantischer Klamauk statt bitterböse Satire. So funkt das „Theaterkabarett“ nicht. 

Die amüsanten Ansätze verlieren sich. Die Bretter, die die Welt bedeuten, haben symbolisch ein Loch und liegen schief. Auf ihnen wird nur von wenigen Akteuren überzeugend schräg gespielt. Das Loch wird – zur Freude des Publikums – mit naturalisierter Übertreibung gestopft, was einer Laiengruppe nun wirklich nicht zu verübeln ist. Das Publikum freut sich über das polternde Temperament Rudolf Karls, der das Klischee eines grabschenden Regisseurtyps ausnudelt. Rainer Weiher bemüht mit liebenswürdiger Vergesslichkeit einen lispelnden Grufti-Regisseur à la Feuerzangenbohle, falls es diesen Typ jemals gegeben haben sollte. Mathias Paintner setzt auf österreichischen Schmiercharme.

Trotz dieser Regisseure gelingen einige erfrischend karikierende Sequenzen. Sonja Trompke brilliert als „Anfängerin“ mit einem witzig abgedrehten Gretchen, Sabine Wiesner lässt im Walzertakt das Flair einer Inszenierung gegen den Strich kurz aufblitzen. „Mit Biss“ an eine Sache herangehen, empfiehlt Lisa Gusl als Gretchen-Diva ihrem Regisseur und beißt giftig in die Salzstange. Davon hätte man sich mehr gewünscht.

Michaela Schabel


Wochenblatt vom 2. Mai 2007 

Gretchen 89ff: Wenn sich das Theater auf die Schippe nimmt

Die „Kästchenszene“ aus Goethes Faust – und was man alles daraus machen kann

Der Theaterbesuch – manchmal ist er nicht unterhaltend, sondern nur noch anstrengend. Zum Beispiel dann, wenn ein besonders eifriger Regisseur oder überdrehte Akteure ein bisschen viel in ein Stück hineininterpretieren. Was dann passieren kann, das zeigt zur Zeit das Nikola-Theater unter Regie von Reinhart Hoffmann an hand der berühmten „Kästchenszene” aus Goethes Faust. „Gretchen 89 ff.” heißt das Stück von Lutz Hübner, das eigentlich ein Muss für die oftmals von diversen Ensembles geschundenen Publikums-Seelen ist, bei dem der Zuschauer dann endlich einmal über das lachen kann, was sonst oftmals eigentlich zum Weinen ist.
„89 ff.” – das steht für Seite 89 im Faust „fortfolgende”. Gemeint ist die weltberühmte „Kästchenszene”, in der das Gretchen besagte Schmuckschatulle findet, die von Mephisto in ihrem Kämmerlein deponiert wurde, um sie – einfach ausgedrückt – mit Faust zu verkuppeln.
„Es ist so schwül, so dumpfig hie…” – mit diesen Worten Gretchens beginnt die Szene.
Und das bekommt der Besucher des Nikola-Theaters – in den verschiedensten Variationen – öfters zu hören. In lockerer Szenenfolge und mit wechselnder Besetzung werden an besagter Kästchenszene die verschiedensten Theatermenschen durchgespielt. Dramaturgin undRequisiteur, Schauspieler und vor allem Regisseure. 
Da ist zum Beispiel „Der Streicher” (Anton Seeanner), der die Szene – sehr zum Leidwesen der von Astrid Steinberger gespielten Mimin – auf das notwendigste reduzieren will. Raus kommt dabei nach einigem amüsanten Hin und Her dann das: „Schwül ist es, irgendwie. Mutter ist weg. Toller Mann. Ach, wir Armen.” Punkt fertig aus. Faust in der Kurzfassung. Im Nikolatheater anzutreffen sind aber auch urkomisch gespielte Archetypen wie „der Freudianer“ Rudolf Karl und Astrid Steinberger), bei dem das „Kästchen“ zum Phallus- Symbol wird. Ihren Auftritt haben außerdem die „zickige Diva” (glänzend: Lisa Gusel mit Hans Kaltenbacher), „der alte Haudegen” (Rainer Weiher mit Sandra Ingerl), „die Dramaturgin” (Gaby Butz und Alexander Hell), „die Anfängerin” (Sonja Trompke und Georg Lackermeier), „das Tourneepferd” (Mathias Paintner mit Sabine Wiesner), „der Schmerzensmann” (Josef Reindl, Katrin Weinzierl), „der Hospitant” (Alexander Hell, Lisa Gusel), und natürlich „der Schauspieler an sich” (Richard Marx und Doris Ellinger). Anmoderiert werden die einzelnen Szenen vom „Hausfaktotum” (Karlheinz Attenkofer), das eigentlich die Toiletten schrubben sollte.
Hübners Stück ist Theaterkabarett vom Feinsten, Regisseur Reinhart Hoffmann und die Nikola-Akteure setzen den Text äußerst unterhaltsam um. Eigentlich kein Wunder: Schließlich spielen sie sich wohl auch  ein bisschen selbst.

Alexander Schmid