Boeing-Boeing

Kategorie: Kritik

LZ vom 28.4.2014


Völlig abgehoben


Die lnszenierung von "Boeing-Boeing" im Theater Nikola ist ein vergnüglicher Kracher

Von Rita Neumaier

Buchstäblich abgesoffen ist der Spielort des Theaters Nikola, der Pfarrsaal von St. Nikola, beim Hochwasser im vergangenen Jahr. ·
Kein Wunder, dass es das Laienensemble anschließendend nicht nach schwerer Kost geliistete, sondern nach etwas heiterem. Mit der federleichten Komödie "Boeing-Boeing" von Marc Camoletti hat das Theater Nikola nun wieder Oberwasser und begibt sich in Sachen Unterhaltung auf einen Hohenflug.
"Premiere bei der Premiere" feierte Sabine Wiesner am Samstag als neue Regisseurin. Als "Urgestein" des Theaters Nikola hat sie sich erstmals an eine eigene Regiearbeit gewagt und bescherte dem Publikum im Pfarrsaal einen außerst angenehmen Flug mit der "Boeing Nikola". Das Retro-Design des Bühnenbildes zollt der Entstehungszeit des Stückes, den 60er Jahren, neuzeitliche Reminiszenz. Im hippen Ambiente des Pariser Junggesellen-Apartements von Bernard (Alexander Hell) geht es allerdings zu wie auf dem Flughafen. Dort erwartet er nach genau getaktetem Zeitplan jeweils seine drei "Verlobten", die als Stewardessen für verschiedene nationa1e Fluglinien tätig sind:
Die dunkelhaarige Amerikanerin Janet (Michaela Karl), die blonde Französin Jacqueline (Sophia Jackermeier) und die rothaarige Judith von der Swiss Air (Julia Wiesner).
Das System könnte nicht funktionieren ohne die tatkräftige Unterstützung der wunderbar spitzzüngigen Haushälterin Berthe (Dorothee Ellinger), die sich jedoch stets am Rande eines Nervenzusammenbruchs befindet.
· Eigentlich verlobt man sich ja, um zu heiratern, - aber nicht so Bernard. Dessen überfliegermäßige Beziehungsphilosophie beeindruckt auch seinen Freund Robert (Aaron Jungblut Klemm), dermal eben aus Limoges zu Besuch kommt und sich ebenfalls einquartiert. Denn, so meint Bernard, mit drei Verlobten, die sich jeweils abwechseln, "hat man aile Vorzüge einer Ehe, aber ohne ihre Nachteile". Eine Frau wäre zu wenig, findet Bernard, "aber drei sind ein Traum".
Robert der anfangs wie ein Hagestolz wirkt - neudeutsch könnte man auch sagen "nerdig" - ist da allerdings anderer Meinung. Ihm würde schon eine reichen, und im Verlauf der ziemlich turbulenten Geschichte wird ihm auch klar, welche. Und dabei macht ausgerechnet er die erstaunlichste Entwicklung durch - auch, was die schauspielerische Darstellung angeht. Darüber hinaus gehören die Verhandlungen um einen erschlichenen Kuss zwischen ihm und der pfiffigen Schweizerin Judith zu den Höhepunkten dieser Inszenierung.
Regisseurin Sabine Wiesner hat gut daran getan, inmitten einer völlig abgehobenen Handlung die Charaktere authentisch zu besetzen: So ergänzen sich die Typen als amüsant agierende Antipoden.
Und somit wird auch eine etwas angestaubte Komödie zur vergnüglichen Screwball-Comedy unserer fernsehverwöhnten Tage.

 


LA vom 30.4.2014

Eine Frau ist doch besser als drei


Mit "Boeing-Boeing" gelingt Theater Nikola ein vergnüglicher Theaterabend

Landshut. Drei "J", drei Frauen aus drei Ländern. Janet fliegt aus USA an, Judith aus der Schweiz, Jacqueline bereist von Paris aus die Welt. Im Drei-Tage-Rhythmus genießt der Pariser Junggeselle und Innenarchitekt Bernard die Reize der hübschen Stewardessen. Bei kleineren Terminverschiebungen hilft Berthe, das Dienstmädchen mit geschickten Ausreden. Bernard prahlt mit den Vorzügen seines Harems vor seinem Freund Robert, der aus der Proviz angereist ist. Das dicke Ende komnmt, als die Flugpläne sich ändern und plötzlich alle drei Ladys vor der Tür stehen.
Mit der Stückauswahl trifft Sabine Wiesner die zum ersten Mal im Laientheater Nikola Regie führt, den Publikumsgeschmack mit seichter Unterhaltung. Das heitere Liebesdurcheinander mit dem moralisierenden Dienstmädchen und bügerlichen Pärchen-Happy-End startet zunächst arg brav und moderat. Französischer Charme weicht mit Alexander Hell in der Hauptrolle bayerischer Gelassenheit. Dorothea Ellinger gibt ein altjüngferliches, leicht hysterisches Dienstmädcheb ab mit sprechenden Augen und stillem Nachgemaule. Ihr boulevardeskes Timing verpufft im Jetlag der Inszenierung.
Erst als Robert aktiv wird, gewinnt die Inszenierung an Tempo und schauspielerischem Schmiss. Aaron Jungblut-Klemm, als Quereinsteiger in der Theatergruppe Nikola in der zweiten Inszenierung dabei, macht aus Kleinstadtschüchterling Robert einen charmanten Womanizer. Mit offenem Hemdkragen, ohne Pullunder, ohne Brille, mit Cognac vorgeglüht, breitbeinig auf dem Sofa, wird er immer forscher. Er umgarnt erfolgreich die romantische Judith (Julia Wiesner), auf deren charmanten Schwyzer Dialekt er sofort abfährt.
Leidenschaftlich küsst ihn die selbstbewusste Janet (Michaela Karl), die auf der Suche nach dem Mann, der ihr den besten Lebensstandard bietet, selbst drei Lover ausprobiert und ständig ihre Kusstechnik perfektioniert. Selbst Berthe träumt erotisch von Robert. Nur bei Jacqueline (Sophia Jackermeier) spielt sie als anschmiegsames, beruflich ausgepowertes Mädchen - stößt Robert auf Granit. Sie will unbedingt ihr Nest bei Bernhard. Judith offenbart ihre Liebe zu Robert. So finden sich die Langweiler und die Flotten, und Janet erwartet in Mexiko der Mann ihrer Träume. Es herrscht wieder Moral, fragt sich wie lange. Und die Kömodien- und Nikolanerfans freuen sich über einen heiteren Theaterabend.
Michaela Schabel